Warum der 500 SEC immer mein Traumwagen war – und ich ihn trotzdem verkauft habe

Kaum ein anderes Auto hat mich seit Teenager-Tagen so begeistert, wie das S-Klasse-Coupé der 80er: Souverän und schick wie ein gut sitzender Anzug, kraftvoll und zurückhaltend. Es war unausweichlich: Im Jahr 2001 fand endlich ein 500 SEC den Weg in meine Garage. Doch 18 Jahre später war das Ende dieser Auto-Liebe genauso unvermeidbar.

Kein Zweifel: Mercedes hat mit dem Coupé seiner Baureihe W126 bei der Vorstellung im Jahr 1981 einen großen Wurf gelandet. In den 80er Jahren stieß das „große Coup´e“ jedoch vor allem dort auf Anerkennung, wo es auf bonbonbunten Metallic-Lack, Plastik-Spoiler und „tiefer-breiter-schneller“ ankommt – laut unbestätigten Gerüchten zumeist im Rotlichtmilieu. Man sah SECs überwiegend in grauenhafter Freestyle-Optik herumfahren, schlimm verbastelt und verspoilert und mit dicken Pellen versehen. Der Ruf war verheerend: „Protzkarre“ oder „Ludenschleuder“ trifft es noch am ehesten.

Der Originalzustand offenbart eine echte Schönheit

Schaut man sich das von Bruno Sacco gezeichnete Original jedoch ganz ohne Vorbehalte – und ohne nachträgliche Anbauten – an, entdeckt man ein wunderschönes, elegantes und zeitloses Auto. Souverän, ohne dabei wuchtig zu sein, eine angedeutete Haifischnase, eine Prise Muscle-Car-Proportionen – und dazu eine umwerfende Seitenlinie: Für mein Empfinden gehört das W 126 Coupé zu den schönsten Fahrzeugen, die Mercedes in den letzten 50 Jahren entworfen hat. Stilvoll, unaufdringlich, gelungen. Und bei heruntergelassenen Scheiben dank fehlender B-Säule fast so luftig wie ein Cabrio.

Im Innenraum bieten zudem Leder und reichlich Wurzelholz gediegenen Luxus. Auf Wunsch gab es dazu sündhaft teure Extras wie die elektronisch gesteuerte Klimaautomatik oder den „Reiserechner„, Vor-Vorläufer heutiger Navigationssysteme. Damit konnte man sich zum Beispiel die erforderliche Durchschnittsgeschwindigkeit ausrechnen lassen, um pünktlich zur eingegebenen Uhrzeit am Ziel einzutreffen. State of the art, anno 1984. Dazu zeigte der Rechner dem wissbegierigen Fahrer die momentanen und durchschnittlichen Verbrauchswerte an. Zugegeben: Genau die will man eigentlich lieber nicht erfahren. Spätestens seit ich einen Führerschein hatte, stand für mich jedoch fest, dass es irgendwann unbedingt ein SEC sein sollte.

500 SEC im Morgendunst
Sonntags vor der Ausfahrt im Morgendunst – was für ein schickes Auto!
Gediegener Luxus: das Interieur des 500 SEC
„Willkommen zuhause“ – mehr braucht man nicht zu sagen.
Traum erfüllt: 11 Jahre 500 SEC im Alltagsbetrieb

Als eine der ersten Amtshandlungen nach Erreichen eines ernstzunehmenden Einkommens habe ich mir Ende 2001 einen 500 SEC, Baujahr 1988, in blauschwarz-metallic und mit fast vollständiger Ausstattung zugelegt. Ich hab’s später recherchiert: Der Grundpreis meines Wagens lag zum Zeitpunkt der Erstzulassung bei ca. 95.000 DM, der Verkaufspreis nach Hinzufügen aller Ausstattungspositionen bei rund 142.000 DM. Wow! Der Erstbesitzer hatte also mehr als die Hälfte des Fahrzeugpreises noch einmal in fast alle luxuriösen Extras investiert, die Mercedes damals im Programm hatte – einschließlich erwähnter Klimaautomatik, des Reiserechners, Einstiegsleuchten, ABS, ASR, Heckrollo und beleuchteter Schminkspiegel. Und ich habe kaum mehr als 10 Prozent der ursprünglichen Kaufsumme für das sehr gut erhaltene Exemplar mit 133.000 Km auf dem Tacho bezahlt. Ich war stolz!

Dieses Auto hat mir dann auch bis ins Jahr 2012 als Alltagsfahrzeug regelmäßig ein Grinsen aufs Gesicht gelockt. Der V8 mit 5 Litern Hubraum entwickelt seit der Leistungssteigerung im Jahr 1987 ein Drehmoment von 390 Nm und 252 PS – genug, um jederzeit einen durchaus angenehmen Anschub von hinten zu erzeugen. Keine Rakete, aber man kommt voran. Der 500er besitzt zudem – im Vergleich zum größeren Bruder 560 – eine sehr lang übersetzte Hinterachse. Die sorgt für ein niedriges Drehzahlniveau und damit für Ruhe im Innenraum. Man reist bei aller Leistung also extrem entspannt. Das Fahrwerk ist – bewährte Mercedes-Technik aus den 70ern – natürlich auf Komfort ausgelegt, ermöglicht auf kurvigen Strecken aber durchaus eine zügige Fahrweise und einigen Fahrspaß.

Warum ich mich letztendlich zum Verkauf entschlossen habe

Der Abschied von meinem 500 SEC hat sich über lange Jahre angekündigt, ohne dass ich mir dessen voll bewusst war. Los ging es wahrscheinlich Ende 2012, als ich dann eine Diesel-A-Klasse als Alltagswagen vor der Tür stehen hatte. Bei aller Begeisterung ist man mit meinem „Dicken“ nämlich vor allem immer wieder schnell zur Tankstelle vorangekommen. Durch ein gerütteltes Maß Kurzstreckenbetrieb war jedesmal nach kaum 500 Kilometern schon wieder die Reserveleuchte an – und der Tank fasst 90 Liter feinstes Super. Mit dem Dieselchen waren es im Vergleich gut 900 km mit 48 Litern Diesel. Man braucht kein Mathematiker zu sein, um den Kostenvorteil zu bemerken – vom Unterschied in der CO2-Bilanz ganz zu schweigen.

Ja, ich weiß: Gasanlage. Aber irgendwie konnte ich mich nie dazu durchringen. Venturi-Anlage? Macht aus dem rassigen Einspritzer praktisch einen schnarchigen Vergaser. Sequenzielle Anlage? Enorm teuer, nicht zurückzubauen und angesichts meiner gefahrenen Kilometer kaum zu amortisieren. Der richtige Zeitpunkt? Längst verpasst.

2014 habe ich den 500 SEC noch einmal neu lackieren lassen, großzügig hohlraumkonserviert und ihn dabei mit zahlreichen Neuteilen schön gemacht. Damit habe ich einige Baustellen an der Karosserie beseitigt, die in den Jahren zuvor die Freude am Fahrzeug getrübt hatten. Anschließend habe ich den Wagen jedes Jahr zu Beginn des Frühlings begeistert bei sonnigem Wetter aus der Garage geholt – und nach ein paar Wochen und 1-2 Tankfüllungen doch wieder stehen gelassen. Und wenn es nur die paar Schritte mehr zur Garage hinterm Haus waren: Am Ende bin ich in den Diesel direkt vor der Haustür eingestiegen. Das Konzept „eine Person – zwei Fahrzeuge“ ist für mich also mal so gar nicht aufgegangen. Der SEC stand schlicht und ergreifend nur noch rum.

Zeit, Abschied zu nehmen

Der letzte Schritt in Richtung Verkauf war die Erkenntnis: „Ich brauche unbedingt einen Sportwagen“ – hervorgerufen durch den rückhaltlosen Genuss zahlreicher Top-Gear-Folgen, Auto-Vergleichstests und Beschleunigungsrennen bei YouTube. Jetzt war klar: Es muss ein Wagen sein, der jede Menge Fahrspaß bietet, bei annehmbaren Verbrauch ausreichend alltagstauglich ist und der somit beide Autos – A-Klasse und SEC – ersetzen kann.

Der letzte Tag mit meinem 500 SEC
Abschied nach fast zwei Jahrzehnten: Der letzte Morgen vor dem Verkauf meines „Dicken“.

Um dieses Vorhaben zumindest mittelfristig umzusetzen, blieb mir keine Wahl mehr: Es musste Platz in der Garage her – nach annähernd 18 Jahren war die Zeit für den Abschied vom SEC gekommen. Auch dabei hatte ich eine Menge Glück: Im August 2019 habe ich einen wahnsinnig sympathischen Käufer gefunden, der meinem „Dicken“ mit demselben Enthusiasmus begegnet wie ich selbst, ihm jetzt aber erheblich mehr Aufmerksamkeit und Pflege schenkt. So ist bei mir der Weg frei für neue automobile Abenteuer und meinem SEC stehen noch viele weitere wohlbehütete und gut bewegte Jahre bevor.

Was ist deine Meinung zum SEC? Protzkiste oder zukünftiger Klassiker? Schreib gerne einen Kommentar!

4 Kommentare zu „Warum der 500 SEC immer mein Traumwagen war – und ich ihn trotzdem verkauft habe“

  1. lieber martin,

    ich will ja jetzt keine wehmut erzeugen bei dir – aber dein ‚dicker‘ ist immer noch ein traumwagen! wir haben schon einige tausend km ganz wunderbar hinter uns gebracht! das thema mit der tankstelle versuche ich mittels cruisen auf der langstrecke möglichst einzugrenzen – aber die versuchung ist halt doch oft zu groß, einfach mal schnell an die eisdiele oder ins café zu fahren…

    ein absolut alltagstauglicher wagen, der nicht nur mir freude bereitet, sondern jedes mal für leuchtende augen (nicht nur beim tankwart!) und angeregte benzingespräche sorgt, wenn wir irgendwo auftauchen. und auf der landstraße oder autobahn fällt schnell die hektik des alltags von einem ab, wenn erst einmal alle fenster unten sind…

    protzkiste (bei uns sagt man übrigens ’schlampenschlepper‘, musste ich schnell lernen…) oder klassiker? der SEC spaltet die menschheit in zwei lager, auf jeden fall. mich hat die diskrepanz zwischen den welten, in denen der SEC zu hause ist und war, immer gereizt. in seiner klassischen, schnörkel- und spoilerlosen variante für mich ganz klar trotzdem ein klassiker. und zwar schon heute – nicht erst zukünftig…

    wir beide werden auf jeden fall zusammen alt werden. und die paar kleinigkeiten, die er für den absoluten topzustand noch braucht, gehen wir in den nächsten jahren sicher an.

    bis dahin alles gute – wir hören uns!
    viel erfolg mit deinem schönen blog! ich freu mich auf tolle berichte über schöne autos und interessante menschen dahinter!
    gruß aus dem süden der republik!
    t

    1. Hey Tobi,

      danke für deine lieben Worte und den allerersten Kommentar auf meiner Seite.

      Natürlich ist der „Dicke“ immer noch (m)ein Traumwagen, umso mehr, da du ihn wieder auf Vordermann gebracht hast. Darüber bin ich – wie schon oben im Text geschrieben – sehr froh! Und bei Euch in der Gegend herrschen halt auch optimale Bedingungen, um angemessen mit offenem Auto über Land zu düsen. Für den Weg zum Café ist der SEC allerdings genauso das passende Fahrzeug… die Szene mit Café-Tischen im Hintergrund und dem Coupé davor könnte ja glatt aus einem Mercedes-Prospekt stammen.

      Und Wehmut löst du bei mir nicht aus, der Verkauf war einfach notwendig und die Zeit gekommen. Jetzt schau ich nach vorne und hoffe darauf, dass bald ein zweisitziger Untersatz oder ein Cabrio vor der Tür steht. Damit schaue ich dann im Süden der Republik vorbei.

      Viele Grüße,

      Martin 🙂

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