Chevrolet Camaro SS: Wie mich ein gelbes Cabrio so richtig infiziert hat

Zugegeben: Ich hatte bei Autos immer einen eher konservativen Geschmack. Mercedes war unangefochten Nummer eins, die Modelle aus den 70er- bis 80er- Jahren das Höchste der Gefühle und digitalen Klimbim im Auto brauchte sowieso niemand. Doch ein Urlaub in einem Chevrolet Camaro SS brachte für mich das große Aha-Erlebnis. Und dabei war das Ganze nur ein Zufall.

Am Anfang stand der Plan, für zwei Wochen Roadmovie-Luft zu schnuppern und ein kleines Stück „American Way of Life“ zu spüren. Es sollte eine Rundreise mit der amerikanischen Auto-Ikone schlechthin werden, einem Ford Mustang Cabrio. Diesen Plan hatte jedoch nicht ich, sondern mein Kumpel Michael, der im Frühjahr 2018 zwei Wochen in Florida verbringen wollte – und ich sollte dabei sein! Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen, und so ging es nach der Buchung von Flugtickets, zwei ersten Hotelnächten und 13 Tagen Mietwagen im April auf die Reise.

Kleine Planänderung: Chevrolet Camaro statt Ford Mustang

Direkt nach der Ankunft am Flughafen Miami kam der erwähnte Zufall ins Spiel: Nach Abschluss des Mietvertrags für unseren Wagen ging es ins Parkhaus des „Rental Car Centers“, wo uns der Angestellte zu einem gelben Chevrolet Camaro Cabrio dirigierte. Reserviert war ein „Ford Mustang Cabriolet oder gleichwertig“. Tja, in diesem Fall kam es zum „oder gleichwertig“, denn offenbar war gerade kein passender Mustang im Fahrzeugpark verfügbar. Im ersten Moment war das – nach 10 Stunden Flug und mit den hohen Erwartungen im Kopf – ziemlich enttäuschend. Aber gleich der nächste Satz half dabei, die Stimmung zu heben: „It’s a brandnew car! You’re the first customers to drive it.“

Camaro Cabrio in Palm Beach
Kein Stäubchen auf dem Lack: Bei Abholung hatte unser gelbes Geschoss nur 42 Meilen auf dem Tacho.

So standen wir also vor einem flammneuen Camaro, der gerade einmal 42 Meilen auf dem Tacho hatte. Neuwagenduft, blitzsauberes Interieur, kein Stäubchen auf dem Lack, dazu ein tiefschwarzes Verdeck – das konnte sich wirklich sehen lassen. Okay, es war schwierig, unser Gepäck zu verstauen, weil der Kofferaum beim Cabrio (ungelogen!) für kaum mehr als zwei Einkaufstüten ausreicht. Mit einem unserer Koffer auf der Rücksitzbank ging es dann bei strahlend blauem Himmel los in Richtung Miami Beach.

Manchmal ist einfach mehr drin

Die nächste überraschende Wendung gab’s am Tag nach dem ersten Aufstehen. Was für ein irres Gefühl, morgens um acht auf dem Weg zum Frühstück mit offenem Verdeck durch die leeren Straßen von Miami Beach zu cruisen! Milde Luft, Morgensonne zwischen den Hochhäusern, blaues Wasser– der perfekte Urlaubsanfang. Jede Bewegung mit dem Gasfuß beantwortete der Camaro mit vehementem Vortrieb. Und dazu wurde der heisere, grollende Sound von den Häuserwänden zurückgeworfen. Was uns erstaunte: Gebucht war eigentlich ein Wagen mit V6-Maschine. Doch der Antritt und die Klangkulisse wirkten bei unserem Cabrio deutlich erwachsener.

Als ich nachmittags das unscheinbare Kürzel „SS“ (für „Super Sport“) auf dem Heck entdeckte, kam die Erleuchtung. Unter der Haube des Chevrolet Camaro SS befindet sich nämlich keinesfalls die Sparmotorisierung mit sechs Zylindern, sondern der „LT1“ Smallblock-V8. Und dieser Smallblock ist in der Tat ein potenter Antrieb: 6,2 Liter Hubraum, 453 PS, ein maximales Drehmoment von 617 Nm und dazu eine Acht-Stufen-Automatik mit Schaltwippen. Damit ist der 100-km/h-Spurt in 4,6 Sekunden möglich und die Beschleunigung hört beim Cabrio erst bei 250 km/h auf. Nicht umsonst verbaut Chevrolet diesen Motor außer im Camaro SS auch in der deutlich sportlicher positionierten Corvette C7.

Chevrolet Camaro SS Typenschild
Das unscheinbare Logo am Heck verrät, wie viel Leistung unter der Haube des Camaro steckt. In Deutschland läuft das Modell unter der schlichten Bezeichnung „Camaro V8“.
Großartige Aussichten: Zwei Wochen V8-Urlaub

Nach der anfänglichen Enttäuschung am Flughafen konnten wir das Grinsen jetzt nicht mehr abstellen. Der Camaro war tatsächlich ein kostenloses Upgrade und es standen uns fast zwei Wochen mit diesem nagelneuen, knallgelben Geschoss bevor. Okay, zweierlei Umstände waren dazu geeignet, die Begeisterung zu dämpfen: Die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf amerikanischen High- und Freeways würden kaum mehr als entspanntes Cruisen mit gelegentlichen Zwischenspurts zulassen. Und ein erster Blick auf die digitale Verbrauchsanzeige verhieß nichts Gutes: Der Wert stand nach zwei Tagen Miami bei 14 mpg, 14 Meilen pro Gallone. In metrische Einheiten umgerechnet: gut 17 Liter Sprit auf 100 km – au Backe! Das ließ einiges erahnen. Aber egal: Das Lebensgefühl im sanft grollenden Cabrio war einfach unschlagbar. Und wir vertrauten blind auf die legendär günstigen Benzinpreise in den USA.

Auch im Vergleich mit europäischen Sportwagen braucht sich der Camaro nicht zu verstecken.
Allerlei Überraschungen im Camaro SS

Nach den ersten beiden Tagen in Miami Beach ging es los nach Norden. Als Ziel der Tagesetappe hatten wir Palm Beach auserkoren, das ungefähr auf halber Strecke zwischen Miami und Cape Canaveral liegt. Und zwischen Miami und Palm Beach verläuft die „Florida State Road A1A“ immer dicht an der Küste entlang. Teils auf dem Festland, aber meistens auf den der Küste vorgelagerten Barriere-Inseln. Jetzt stellte sich heraus, dass unser Cabrio weitaus mehr zu bieten hatte, als nur ein offenes Verdeck und ordentlich Vortrieb.

  • Der Chevrolet Camaro SS verfügt über 4 Fahrmodi (Tour, Sport, Schnee/Eis und Rennstrecke), die Motorsound, Lenkung, Fahrwerk und Gasannahme beeinflussen. Beim Cruisen auf der Küstenstraße genügte uns der „Tour“-Modus vollauf, in dem das Fahrwerk die meisten Unebenheiten im Asphalt bequem wegbügelte.
  • Nach einem Blick in die Betriebsanleitung stellten wir überrascht fest, dass der Wagen mit einer mobilen 4G-Internetverbindung und einem internen WLAN-Hotspot ausgestattet war. Kurz das Handy eingeloggt und schon waren wir unterwegs bestens vernetzt. Auf dem Beifahrersitz schnell bei WhatsApp reinschauen und ohne Mobilfunkgebühren die neusten Bilder verschicken? Kein Problem!
  • Apropos Verbindung: Natürlich hatte unser Cabrio auch Apple Car Play an Bord – man musste über das Menü lediglich zur entsprechenden Ansicht wechseln. Einmal herausgefunden, konnte das Auto plötzlich auch WhatsApp-Nachrichten vorlesen oder per Google Maps navigieren.
  • Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Über die eingebaute Notruf-Funktion konnte man auf Knopfdruck um Hilfe rufen. Was wir auch zweimal versehentlich getan haben, weil die Bedienung über Knöpfe im Rückspiegel erfolgt. Zum Glück ließ sich der Vorgang noch während des Verbindungsaufbaus abbrechen. Im Fall einer Panne oder eines Unfalls wären wir aber auf diese Weise nicht gestrandet liegengeblieben.

Nicht zuletzt hat mir persönlich die Funktion gefallen, dass man sich im Display zwischen den Rundinstrumenten allerlei Reiseinformationen anzeigen lassen konnte. So gab es zwei voneinander unabhängige Trip-Computer, mit denen man zum Beispiel einerseits die aktuellen Tageskilometer mitsamt Verbrauch und andererseits die Gesamtdaten der Reise abrufen konnte. Das ist zwar eigentlich nichts Besonderes, liefert auf so einer Rundreise aber interessante Einblicke.

Ein echter Augenöffner: Der Durchschnittsverbrauch

Was mich letztendlich am meisten beeindruckt hat, war der Verbrauch. Besonderes Kennzeichen des „Tour“-Fahrmodus ist nämlich die eingebaute Zylinderabschaltung. Die lässt den Camaro bei geringer Last vollkommen unbemerkt auf nur 4 Töpfen laufen. Und auf Floridas Landstraßen ist man bei 35-55 Meilen/Stunde eigentlich immer mit geringer Last unterwegs. Von anfänglich 14 mpg stieg die Anzeige nach und nach auf knapp über 28 mpg – wir sind das Geschoss im Schnitt mit nicht ganz 9 Litern pro 100 Kilometern gefahren. Und das bei einem Leergewicht von fast 1,7 Tonnen und annähernd 500 PS abrufbarer Leistung.

Chevrolet Camaro Cabrio mit offenem Verdeck
Mehr „American Way of Life“ geht nicht: Sonne, Meer und im offenen V8-Cabrio die Landschaft genießen.

Logisch: 9 Liter sind ein Wert, der im Hinblick auf die Klimakrise immer noch nicht weltmeisterlich ist. Mit Fahrzeugen wie einem Camaro SS wird man das Weltklima nicht retten können. Aber vergleicht man den Verbrauch mit dem meines 32 Jahre alten 500 SEC – fast 1,7 Tonnen Leergewicht und 252 PS –, ist der Fortschritt dennoch enorm. Mit meinem „Dicken“ bin ich nämlich nur in Ausnahmefällen und mit federleichtem Gasfuß bei unter 15 Litern Verbrauch geblieben.

Im Alltagsverkehr zwischen Stadt und Land und auf der Autobahn wird sich auch der Camaro deutlich über 10 Liter genehmigen, da gibt es keinen Zweifel. Aber immerhin hat man die Gewissheit, dass einem bei gelassener Fahrweise und geschickter Streckenwahl die Zylinderabschaltung sehr effektiv beim Sparen hilft. Es geht bei allem Spaß also auch sparsam. Das ist für mich ein sehr überzeugendes Argument für moderne Technik unter der Motorhaube.

Fazit: Pures Lebensgefühl auf vier Rädern

Als wir unser gelbes Cabrio nach zwei Wochen wieder abgegeben haben, ist es mir wirklich schwer gefallen. Allein, weil es einfach unvergleichlich ist, bei sonnigem Wetter auf den Wagen zuzugehen und schon einmal mit einem Druck auf den Schlüssel das Verdeck zu öffnen. Der Start/Stopp-Knopf im Inneren erweckt die Maschine zum Leben und entlockt dem V8 zur Begrüßung ein heiseres Aufbrüllen. Im Innenraum fühlt man sich dank gut geformter Sitze und schicker Mittelkonsole bestens aufgehoben (cleveres Detail: Die äußeren Ringe der Lüftungsdüsen dienen der Steuerung der Klimaanlage). Wäre nicht der mikroskopisch kleine Kofferraum, hätte ich mir nach dem Urlaub sofort ein Camaro Cabrio als Alltagswagen vorstellen können.

Abendsonne auf dem Chevrolet Camaro
Dieser Anblick und das damit verbundene Lebensgefühl würden mir nach dem Urlaub schmerzlich fehlen.

Die besondere Faszination beim Chevrolet Camaro SS liegt für mich jedoch in der Symbiose aus klassischem Muscle-Car-Layout und moderner Technik. Statt einer antiquierten Starrachse trägt einen das straffe, aber ausgewogene Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern. Ruft man nicht ständig die Leistung ab, bleibt der Verbrauch moderat. Bleibt man am Straßenrand liegen, ist die Notrufzentrale nur einen Knopfdruck entfernt. Braucht man Verbindung nach Hause, helfen Bluetooth und Freisprecheinrichtung, WLAN und Apple Car Play weiter. Ich bin seitdem davon überzeugt, dass der Blick beim Auto nach vorne und nicht länger in die Vergangenheit gerichtet sein muss. Und es muss für mich zumindest mittelfristig ein Sportwagen sein.

Was denkst du vom Camaro Cabrio? Könntest du dir vorstellen, so ein Auto zu fahren? Oder ist das nur etwas für einen begrenzten Urlaubstrip? Sag uns deine Meinung und hinterlasse einen Kommentar!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Nach oben scrollen